Der Planet Merkur und der Joshua-Effekt...

Da redete Josua mit dem HERRN an dem Tage, als der HERR die Amoriter vor den Kindern Israel dahingab, und sprach in Gegenwart Israels: Sonne, stehe still zu Gibeon, und du, Mond, im Tale Ajalon! 

Da stand die Sonne still, und der Mond stand still, bis sich das Volk an seinen Feinden gerächt hatte. Ist dies nicht geschrieben im Buche der Frommen? Also stand die Sonne still mitten am Himmel und eilte nicht unterzugehen, beinahe einen ganzen Tag.

Josua 10, 12-13


Der Planet Merkur ist zwar über das Jahr öfters mal am Abend- oder Morgenhimmel zu sehen. Aber aufgrund seiner Sonnennähe sind die Beobachtungsmöglichkeiten doch sehr begrenzt. Seine Umlaufszeit (siderische Periode) um die Sonne beträgt 87.969 Tage. Dieser Zeitraum ist das "Merkurjahr" gemessen in irdischen Tagen.

Lange Zeit hatte man angenommen, dass Merkur ähnlich dem Erdmond eine gebundene Rotation ausführt, d. h., dass ein "Merkurtag" genauso lang ist wie ein Merkurjahr. Bereits in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bemerkte man, dass das wahrscheinlich nicht stimmen kann. Mittels Radarbeobachtungen stellte man dann aber sehr schnell fest, dass die Rotationsdauer lediglich 59 Tage beträgt (moderner Wert: 58,646225 Tage). Das bedeutet, dass Merkur genau dreimal um seine Achse rotiert wenn sich der Planet zweimal um die Sonne bewegt:
Oder anders ausgedrückt: Zwei Umläufe um die Sonne entsprechen genau drei „Merkurtagen“. Himmelsmechanisch spricht man von einer 2:3 Resonanz zwischen Umlauf und Rotation oder einer speziellen Form der Spin-Bahnkopplung. Sie ist dahingegen ungewöhnlich, da man ansonsten im Sonnensystem – Beispiel Erdmond – nur 1:1 –Resonanzen von diesem Typ kennt. Als Ursache kommt vielleicht eine kleine asymmetrische Massenverteilung im Inneren Merkurs in Betracht, die aufgrund der großen Bahnexzentrizität nur in Perihelnähe den Gezeitenkräfte der Sonne Angriffspunkte liefert und damit einen Beitrag zum chaotischen Verhalten der Merkurbahn liefert.

Die große Exzentrizität der Merkurbahn (e=0.2056) und das Zusammenspiel dieser zwei Perioden führen für einen Beobachter auf dem Merkur zu einigen merkwürdigen Effekten. Er könnte z.B. beobachten, wie die Sonne langsam bis zu ihrem höchsten Punkt aufsteigt, dann kurz stoppt um dann umzukehren und erneut zu stoppen, um erst danach sich in Richtung Untergangspunkt weiter zu bewegen. Währenddessen würden sich die Sterne dreimal schneller über den Himmel eilen als die Sonne. Diesen Effekt ist man geneigt „Josua-Effekt" zu nennen, dem es ja nach dem Alten Testament der Bibel gelang, für den Zeitraum einer Schlacht die Sonne am Himmel still stehen zu lassen bis der Sieg errungen war. 

Aber auf dem Merkur lassen sich noch andere Absonderlichkeiten beobachten. An einigen Orten bestimmter Länge können z. B. während eines Sonnentages, der 176 mal so lang ist wie ein Tag auf der Erde, zwei Sonnenaufgänge am Morgen und zwei Sonnenuntergänge am Abend beobachtet werden. Im letzteren Fall geht die Sonne im Westen unter um kurz danach wieder aufzugehen und dann nochmal unterzugehen. 

Ursache dafür ist ein Effekt, den man auch von der Erde her kennt, hier aber kaum jemandem bewußt ist: Der Sonnentag ist ein klein wenig länger (3 Minuten und 56 Sekunden) als die Rotationsdauer der Erde gegenüber dem „Sternenhimmel“ (Sterntag). Bei Merkur ist der Unterschied jedoch richtig kraß: Von einem Sonnenaufgang bis zum nächsten vergehen genau zwei Merkurjahre, d. h. 176 Tage oder ungefähr ein halbes irdisches Jahr. Da sich gemäß dem zweiten Keplerschen Gesetz die Geschwindigkeit der Umlaufbewegung sich immer mehr erhöht, wenn sich Merkur dem Perihel nähert, verstärkt sich der Rotationseffekt derart, dass es zum Stillstand der Sonne am Merkurhimmel kommt, sobald seine Winkelgeschwindigkeit auf seiner Bahn den anderthalbfachen Wert seiner mittleren Winkelgeschwindigkeit erreicht. Wie sich leicht nachrechnen lässt, beträgt die Winkelgeschwindigkeit im Perihel das 1.53-fache der mittleren Winkelgeschwindigkeit, was etwas größer ist, als der für den Stillstand notwendige Wert von 1.5. Die Sonne wird also sogar zeitweise wieder ein Stück in Richtung Sonnenaufgang zurückwandern, was genau einmal pro Umlauf oder zweimal pro Merkur-Sonnentag (aber über zwei antipodische Meridiane) geschieht.

Man kann sich leicht vorstellen, dass es auf dem Merkur einen Meridian gibt, wo die Sonne in jeder zweiten Perihelstellung genau im Zenit steht und dort eine Weile verharrt um besonders unbarmherzig herab zu brennen. Unter solch einem Meridian liegt das sogenannte „Hitze-Becken“, Caloris Planitia, auf der Merkuroberfläche.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen