Information und Leben


„Leben“ ist Organisation, Regulation, Anpassung und Reproduktion - alles Aspekte, die ohne das abstrakte Konzept der Information nicht auskommen. Die Funktionalität des „Lebens“ ist ohne Informationsaustausch bzw. Kommunikation auf allen seinen strukturellen Ebenen – beginnend bei biochemischen Details, über Zellen, Zellverbände bis hin zu Individuen und Gesellschaften – nicht denkbar. Dabei soll hier unter „Information“ eine immaterielle Entität in der Art von „Wissen“ verstanden werden, den ein Sender über einen Signalweg oder Kommunikationskanal einem Empfänger übermittelt. Dabei ist wesentlich, dass der Empfänger in der Lage ist, diese Information auch zu interpretieren und entsprechend darauf zu reagieren. Andernfalls ist das Signal für ihn ohne Informationsgehalt. Oder wie es Carl Friedrich von Weizsäcker einmal kurz und prägnant ausgedrückt hat: „Information ist nur, was verstanden wird“ (Weizsäcker, 1984). Der ausnehmend mathematisch-physikalische Informationsbegriff aus der Shannon’schen Informationstheorie ist deshalb in diesem Zusammenhang nur wenig hilfreich. Der Begriff der Information wird in den Lebenswissenschaften vielmehr und in heuristisch bedeutungsvoller Weise eher wie eine Metapher als wie eine quantifizierbare Größe verwendet: Die DNA ist ein „molekularer Informationsspeicher“ (Festplatte), dessen codiert vorliegenden Inhalte gezielt auf eine Messenger-RNA (USB-Stick, LAN) geschrieben und zu den Ribosomen (CNC-Maschine) transportiert werden. Dort erfolgt die Entschlüsselung und unter „Materialverbrauch“ in Form von durch tRNA herantransportierten Aminosäuren (Stahl, Plastik) werden anhand der entschlüsselten Informationen spezifische Proteine (Küchenmesser) hergestellt. Diese Art von Informationsfluss ist ein ganz wesentliches Merkmal lebender Systeme und ihnen inhärent. Lebewesen sind in diesem Sinn aktiv informationsverarbeitende Systeme. 

Der Träger einer Information ist das Signal. Es besitzt einen semantischen Inhalt (d. h. eine Bedeutung), eine syntaktische Form (d. h. eine Struktur) und – was das Wichtigste ist, für den Signalempfänger einen Wert. Und es kann von einem Sender (z. B. Außenwelt) zu einem Empfänger (z. B. das Innere einer Bakterienzelle) transportiert werden. Aber erst der Akt der Interpretation macht es zu einer Information. Bei elementaren Lebensvorgängen spielen besonders chemische Signale eine herausragende Rolle. So ist es beispielsweise für ein Bakterium lebenswichtig, sich auf sich ändernde Umgebungsbedingungen wie den pH-Wert seines Nährmediums, adäquat zu reagieren. Der pH-Wert ist hier so etwas wie ein chemisches Signal, auf welches spezielle, die Zellwand durchdringende Rezeptorproteine durch eine entsprechende Konformationsänderung reagieren. Diese Änderung in der räumlichen Faltungsstruktur des Proteins hat natürlich auch Auswirkungen auf den Teil des Rezeptormoleküls, welches in das Cytoplasma des Zellinneren hinein ragt – und zwar mit dem Effekt, dass sich beispielsweise dessen enzymatische Wirkung verändert. Ein „äußerer Reiz“ bewirkt in diesem Fall eine „innere Reaktion“ bedingt durch einen entsprechenden Informationsfluss quasi durch die Zellmembran hindurch.

Richtig offensichtlich wird die Bedeutung der Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung im „Kampf ums Dasein“ (Darwin) bei „höheren“ Lebewesen, bei denen sich im Laufe der Evolution eine Vielzahl von Sinnesorganen entwickelt haben. Man denke da beispielsweise an Augen, an Ohren sowie an Geruchs- Geschmacks- und Temperaturrezeptoren. Zur Interpretation der von ihnen gelieferten Signale werden gewisse kognitive Fähigkeiten vorausgesetzt, was die Parallelentwicklung entsprechender Nervensysteme mit ihren insbesondere in „Gehirnen“ lokalisierten Kapazitäten zur Informationsbearbeitung / Informationsinterpretation notwendig machte. 

So bot die Wahrnehmung von Licht während der Geschichte des Lebens auf der Erde einen solchen enormen Überlebensvorteil, dass das Auge innerhalb verschiedener Gruppen des Tierreichs mindestens 40 mal unabhängig voneinander entstanden ist, wobei sich die Natur neun verschiedener Funktionsprinzipien bedient hat. 

Wie Maynard Smith betonte (Maynard-Smith, 2000), ist die biologische Information von ihrem Wesen her eine funktionelle Information. Nicht ihre Struktur (im Shannon’schen Sinn), sondern ihre Zweckbestimmung ist von ausschlaggebender Bedeutung, da sie eine entsprechende Reaktion im Organismus (z. B. der Expression eines bestimmten Gens oder – quasi makroskopisch - einen Fluchtreflex) hervorruft, die im Wesentlichen dem Überleben des Individuums bzw. der Art dienlich ist. 

Trotzdem muss man konstatieren: Das Informationsparadigma ist in der Biologie ein nicht einfach zu durchschauendes, aber überall gegenwärtiges Prinzip.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen