Da wurden Weiber zu Hyänen - das Massaker auf dem Marsfeld


Als „Rock“ wurde im Mittelalter gewöhnlich ein Obergewand mit Ärmeln, welches sowohl von Männlein als auch von Weiblein getragen wurde, bezeichnet. Und zwar nicht etwa, weil es „steinfarben“ war, wie ein Anglist vielleicht vermuten würde, sondern weil sich dieser Begriff von dem althochdeutschen „roc“ (=Gespinst) oder „ruc“ (=„spinnen“) ableitet. Vor dem Aufkommen der Hose (bei Männern) oder des Höschens (bei Frauen), war er bei der minderbemittelten Kaste des Volkes neben langen Strümpfen oftmals das einzige Kleidungsstück und reichte bei den Herren bis etwa zum Knie und bei den Frauen bis zu den Fußknöcheln. Darunter wurde gewöhnlich nichts getragen, ein Sachverhalt, der bekanntlich in früheren Zeiten bei den Schotten bei kriegerischen Auseinandersetzungen als psychologische Waffe eingesetzt wurde. Der Rock, und zwar der Damenrock, genaugenommen dasjenige, was er zu verbergen suchte, erlangte interessanterweise genau zwei Jahre nach dem Sturm auf die Bastille, dem Auslöser der Französischen Revolution, sogar eine gewisse weltpolitische Bedeutung. 

Ich meine damit das furchtbare Massaker auf dem „Feld der Föderation“, allgemein „Marsfeld“ (Champs de Mars) genannt, am 17. Juli 1791 in Paris. An diesem, wie die Geschichtsschreiber berichten, ausnehmend schönen Tag, war eine Massenversammlung der republikanischen Partei angesetzt, bei der das Volk aufgerufen wurde, ihre Unterschrift unter ein Memorandum zur Entthronung des gefangengesetzten Königs Ludwig XVI. zu setzen. Dazu war eine hölzerne Tribüne aufgebaut worden, wo die Petition auf dem „Altar des Vaterlandes“ zur Unterzeichnung auslag. Das war natürlich nicht im Sinne der Royalisten, weshalb sich eine gewisse angespannte Lage eingestellt hatte. Hinauf zur Tribüne führte eine breite hölzerne Treppe, welche die zur Unterschrift bereiten Bürger – und Bürgerinnen mit ihren langen Röcken (und nichts darunter) – emporsteigen musste. Und das „nichts darunter“ interessierte zwei junge Männer, die sich deshalb schon recht früh, ausgestattet mit Proviant und einem kleinen Fässchen Wein (es waren ja Franzosen), unter diese Treppe begaben und in die sie, zwecks einer besseren Sicht, zuvor ein paar Löcher gebohrt hatten. Aber die Unternehmung ging gründlich schief. 

Ein paar Frauen entdeckten die Voyeure und begannen sie ganz arg zu verdreschen gemäß der Schiller’schen Erkenntnis, dass bei sowas „...Weiber zu Hyänen…“ werden. Inzwischen verbreitete sich in Blitzeseile das Gerücht, dass man unter der Treppe zwei royalistische Spione mit einem Fass voller Pulver entdeckt habe, die den „Altar des Vaterlandes“ in die Luft sprengen wollten. Jetzt mischten sich auch wütende Männer in die Händel ein, aber nicht mit Füßen und Fäusten, wie es die Damen taten, sondern gleich mit einem Messer in der Hand. Nach einer Version des Geschehens stach man die beiden nieder, schnitt ihnen die Köpfe ab, steckte diese auf Stangen und trug sie triumphierend über den Platz. Nach einer anderen und glaubhafteren Version hat man sie ohne viel Federlesen einfach an der nächsten Laterne aufgehängt. Der damit verbundene Aufruhr alarmierte das royalistisch eingestellte Militär unter Marie-Joseph Motier, Marquis de La Fayette (1757-1834), welches dann auch von der aufgebrachten Menschenmenge – alle Republikaner - mit Steinen beworfen wurden. Und irgendwann löste sich der erste Schuss. Und kurze Zeit später lagen über hundert von ihnen (nach neueren Forschungen sollen es höchstens 50 gewesen sein) tot um den „Altar des Vaterlandes“ herum. Der Rest ist schnell erzählt. La Fayette verlor seine Reputation unter dem Volk, Danton floh nach England, Desmoulins und Marat in den Untergrund. Viele weitere wurden in Gewahrsam genommen. Und am 21. Januar 1793 wurde schließlich Ludwig XVI. und am 16. Oktober des gleichen Jahres auch seine Frau Marie-Antionette (die mit dem Kuchen) von dem berühmten und wegen seiner Kunstfertigkeit hoch angesehenen Pariser Henker Charles-Henry Sanson mittels der von einem heute vom Namen her immer noch bekannten Arzt erfundenen Maschine enthauptet. Es ist sicherlich amüsant sich auszumalen, was passiert wäre, wenn damals die Damen bereits Unterwäsche und kürzere Röcke getragen hätten… 

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