Schöne neue Welt und “Big Brother is watching you“


Drei herausragende Werke einer fiktiven Gesellschaftskritik waren insbesondere in total organisierten Staaten (Diktaturen) gefürchtet, weshalb sie dort auch meist nicht zugänglich waren. Das ist einmal „Brave new World“ („Schöne neue Welt“) von Aldous Huxley (1894-1963) von 1932, der darin eine düstere Fiktion eines totalitären Staates entwickelt, welcher zwar weitgehend gewaltlos daherkommt („Weltregierung“), aber stattdessen durch „Menschenzüchtung“ und ideologische Indoktrination seine Machtbasis festigt. Auf der Liste der 100 wichtigsten Bücher des 20. Jahrhunderts der Pariser Tageszeitung "Le Monde" findet sich dieser Roman auf Platz 21, sofort gefolgt von „1984“ von George Orwell (1903-1950). Er erschien im Sommer 1949 im Londoner Verlagshaus „Secker & Warburg“ und sollte Orwells letztes Werk sein, denn er starb bereits ein Jahr später an Tuberkulose. Den großen Erfolg, den er mit dieser düsteren Schilderung einer totalitären Gesellschaft ("Big Brother is watching you") landete, hat er leider nicht mehr erlebt. Die düstere Vision "Ozeaniens", wo "Big Brother" herrscht, ein "Neusprech" („War is peace; Freedom is slavery; Ignorance is strength.“) die Gedanken vernebelt und die Menschen bis in ihre innersten Gedankengänge und Gefühle manipuliert, wurde besonders in den kommunistischen Regimes gefürchtet, da sich hier offensichtlich leicht erkennbare Parallelen auftaten. Wer, wenn nicht Josef Stalin selbst, sollte sich auch hinter dem „dicken schwarzen Schnauzbart“ verbergen, den „Big Brother“ trägt? Und der kleine Mann, mit den wirren weißen Haaren und dem Ziegenbärtchen, der sich im Roman Emmanuel Goldstein nennt – waren das nicht die Züge Leo Trotzkis, dem späteren Erzfeind Stalins? 

Bereits 1950 erschien die erste deutsche Übersetzung von „1984“, welches zuvor in den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich viel Aufmerksamkeit – auch politisch gewollt – erregt hat. So ist es nicht verwunderlich, dass der Roman in der DDR verboten und nicht mal in den „Giftschränken“ der Universitätsbibliotheken zu finden war. 1978 gab es sogar die ersten Verurteilungen im Zusammenhang mit diesem Buch: Mehrjähriger Knast war demjenigen sicher, der erwischt wurde, dieses Buch gelesen und an andere verborgt zu haben. Dieser Umstand „adelte“ den Roman dahingehend, dass er quasi zur Pflichtlektüre von Dissidenten in der DDR wurde. Ich selbst habe ihn als Student Mitte der 1980er Jahre in Form einer schlechten Fotokopie einer bundesdeutschen Taschenbuchausgabe gelesen, ohne aber recht die „Gefährlichkeit“ der darin dargestellten Gedanken nachvollziehen zu können, die immerhin mehrere Jahre Gefängnisaufenthalt rechtfertigen sollten. 

Nach dem Fall der Mauer deutete sich mit der rasanten Entwicklung der modernen Informationstechnologien und ihrer Anwendungen eine Änderung in der Interpretation des Werkes in Form einer „negativen Utopie“ an. Heute wird mit „Orwell“ oder „1984“ in der Regel sofort die Utopie eines totalen Überwachungsstaates assoziiert, wie er mittlerweile technisch möglich geworden ist. NSA-Skandal und Vorratsdatenspeicherung (natürlich nur für hehre Ziele!) sind nur zwei Stichpunkte in diesem Zusammenhang. Bei alledem sollte man aber nicht verkennen, Orwells Roman ist keine Prophetie, sondern eine Warnung. /*/

Das dritte Buch, welches ich hier in Erinnerung rufen möchte, stammt auch von George Orwell: „Farm der Tiere“ (1945). Es war in den Ostblockstaaten unter den Herrschenden besonders verhasst, weil in der erzählten Parabel die Machtstrukturen der „Diktatur der Arbeiterklasse“ besonders klar zu erkennen waren. Das Gebot „Alle Tiere sind gleich – aber manche sind gleicher“ (original „All animals are equal, but some are more equal than others.“) ist mittlerweile zu einem geflügelten Wort geworden um auf zynische Weise auszudrücken, dass das revolutionäre Prinzip der „Gleichheit“ (Égalité) in keiner hierarchisch organisierten Form des Zusammenlebens der Menschen zu verwirklichen ist. 
Das Prinzip der „Gleichheit“ ist ein wichtiges Prinzip der Staatstheorie und von Thomas Hobbes (1588-1678) als Ausgangspunkt seiner Überlegungen zu einem Gesellschaftsvertrag gemacht worden. In dem er einen Naturzustand des Menschen postuliert, in dem jeder Mensch zwar als gleichwertig und frei gilt, unter dem aber Anarchie und Gesetzlosigkeit herrschen und in dem jeder Mensch dem Menschen ein Wolf ist, leitet er dessen Naturrecht ab, seine egozentrische Natur gegen jeden anderen Mitmenschen, auch gegen deren Widerstand, mit Gewalt durchzusetzen, was wiederum als Ausdruck seiner individuellen Freiheit gilt. Um diesen Naturzustand zu verlassen, muss er, nach Hobbes, aus reinen Selbsterhaltungsgründen unter Aufgabe seines Selbstbestimmungsrechtes letztendlich einen Unterwerfungsvertrag gegenüber einem Souverän abschließen, dessen absolute Macht ein friedliches Zusammenleben seiner „Untertanen“ untereinander ermöglicht. Auf diese Weise entsteht, wie er in seiner staatstheoretischen Schrift „Leviathan“ von 1651 ausführlich beschreibt, ein Abhängigkeitsverhältnis in Form eines Gesellschaftsvertrages, der die Möglichkeit bietet, über kodifizierte Rechte und Gesetze einen Ausgleich zu schaffen, der letztlich in der Institution des Staates aufgeht. Dessen Aufgabe besteht darin, ein Übergewicht gegen die anarchischen Leidenschaften zu schaffen, in dem er auf vereinbarte Art und Weise die natürlichen Freiheitsrechte des Individuums einschränkt und Verstöße gegen Gesetz und Ordnung ahndet: 

Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu beherrschen, diesem Menschen oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, dass du ebenfalls dein Recht über dich ihm oder ihr abtrittst.“ 

Der Souverän ist hier der Rechtsgarant und Gewaltmonopolist. Er garantiert, soweit er rational und vernünftig handelt, Lebens- und (in Hinsicht auf das Naturrecht eingeschränkte) Freiheitsrechte seiner Untertanen und ist in der Lage „alle Bürger zum Frieden und zu gegenseitiger Hilfe gegen auswärtige Feinde zu zwingen.“ Seit Hobbes wird Gleichheit in erster Linie, aber nicht nur, als „Gleichheit vor dem Gesetz“ verstanden und ist so – seit 1775 (Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika) – zum Bestandteil vieler Verfassungen geworden.

/*/ man denke nur an den unfähigsten Justizminister aller Zeiten (UJAZ) und sein "Netzwerkdurchsetzungsgesetz"...

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